Gwendolyn

Gwendolyn Leick ist eine Meisterin der Haltung. Nicht von ungefähr zitiert die pensionierte Anthropologin, Autorin und Gewichtheberin eine Passage aus einem Gedicht von Gertrude Stein, die genau davon handelt: „If can in countenance to countenance a countenance as in as seen …“ Gwen ist gebürtige Österreicherin. Mitte der 1970er Jahre ging sie nach London, um ihre Dissertation über babylonische Flüche zu schreiben. Im Alter von 52 Jahren fing die zierliche Frau mit dem Gewichtheben an und hat seitdem zahlreiche internationale Titel gewonnen. Während sich Gwen mit ihrem langjährigen Coach Pat auf die europäischen Meisterschaften in Aserbaidschan vorbereitet, bewältigt sie eine halbseitige Gesichtslähmung und ihre inzwischen dritte Krebsoperation.

Nach dem Boxerinnenporträt „Tough Cookies“ von 2014 begibt sich Ruth Kaaserer erneut in ein sportliches Milieu, das wenig mit den gängigen Bildern von Kraftarbeit, Schinderei und Schweiß zu tun hat. Beherrschtere und anmutigere Szenen hat man wohl selten in einem Gym gesehen. Mit derselben geradlinigen Aufmerksamkeit widmet sich „Gwendolyn“ dem Alltagsleben dieser ungewöhnlichen Frau: Arztbesuche, das Zusammensein mit ihrem wesentlich jüngeren Ehemann Charlie, Gespräche mit ihrem Sohn über die Gemeinsamkeiten von Schreiben und Nähen. Manchmal bleibt keine Wahl – man muss die Nähte auftrennen.”

Esther Buss

https://www.3sat.de/film/dokumentarfilmzeit/gwendolyn-100.html